Schlaf als wertvolle Datenquelle in der Pandemie

Ein Viertel der Spender:innen spendet uns neben Herzrate und Schritten auch Schlafdaten - wie lange Ihr schlaft und ein Teil auch wann. Diese Schlafdaten schauen wir uns momentan zusammen mit Schlafforschern genauer an, denn Schlaf ist eine reichhaltige Informationsquelle für Gesundheit und Wohlbefinden.

Zwei Dinge möchten wir mit der Auswertung der Schlafdaten erreichen: Wir möchten sehen, wie sich der Schlaf generell unter Pandemie-Bedingungen verändert - durch Lockdown, Home Office und psychischer Belastung. Hieraus erhoffen wir uns Rückschlüsse auf das allgemeine Wohlbefinden und Gesundheit in der Pandemie sowie auch Hinweise auf Nebenwirkungen der Pandemie und Pandemie-Maßnahmen.

Vor allem aber möchten wir mit den Schlafdaten unsere Fieberkurve noch genauer machen. Denn wer akute Krankheitssymptome hat, schläft auch mehr als vorher. Dieses Phänomen können wir uns zu Nutzen machen beim Live-Monitoring von COVID-19 Fälle in Deutschland.

Hier in diesem Blog Post stellen wir Euch nun die Schlafdaten einmal grundsätzlich vor.

Wie schlafen wir?

Schlaf hat viele verschiedene Dimensionen. Zu den am besten messbaren zählen die Schlafdauer, also wie lange man pro Tag schläft, und der Schlafzeitpunkt, also wann man schläft (der Mittelpunkt zwischen Einschlaf- und Aufwachzeitpunkt).

Sowohl die Schlafdauer als auch der Schlafzeitpunkt verändern sich mit dem Alter und unterscheiden sich auch zwischen Männern und Frauen. Dies kann man auch in den Datenspende-Daten gut sehen.

Schlafdauer

Die jungen Spender:innen schlafen im Mittel am meisten und mit zunehmendem Alter nimmt die Schlaflänge peu a peu ab. In den meisten Alterskategorien schlafen die Frauen etwas länger als die Männer. Die Gruppe mit der niedrigsten Schlafdauer sind 60-jährige Männer mit 6h 59min. Die Gruppe der 20-jährigen Frauen schläft dagegen im Durchschnitt ca. eine halbe Stunde länger mit 7h 30min.

Schlafzeitpunkt

Wer ist die größte Nachteule, kann abends erst spät einschlafen und kommt morgens nur schwer früh aus den Federn? Keine Überraschung: Teenager und junge Erwachsene haben auch in den Datenspende-Daten den spätesten Schlafzeitpunkt (vor allem an Wochenenden wie hier gezeigt) und mit zunehmenden Alter wird der Schlaf wieder früher, also die Eulen immer mehr zur Lerche. Männer schlafen tendenziell später als Frauen. Den frühesten Schlafmittelpunkt hat allerdings die Gruppe der 70-jährigen Männer um 03:40. Dagegen liegt der Schlafmittelpunkt der 20-jährigen Männer mit 04:50 über eine Stunde später. Wenn man also pauschal eine Schlafdauer von 8 Stunden annimmt, dann schliefe ein junger Mann am Wochenende im Mittel von 00:50-08:50, ein Hochbetagter allerdings eher von 23:40-07:40.

Der Schlafzeitpunkt wird durch eine innere Uhr bestimmt, die durch Licht gestellt wird

Wann und wie man schläft, kann man nicht einfach frei entscheiden, sondern die Biologie hat da ein ernstes Wörtchen mitzureden. Dies geschieht unter anderem über eine innere Uhr, die sogenannte circadiane Uhr, die die innere biologische Tageszeit vorgibt: in der biologischen Nacht ist der Körper auf Schlaf gestellt, am biologischen Tag auf Wachsein. Wann nun genau der biologische Tag oder die biologische Nacht beginnt, misst die circadiane Uhr anhand von Licht - das stärkste und beste Licht hierfür ist das Tageslicht.

Dass unser Schlaf tatsächlich durch das Tageslicht geprägt wird, zeigt sich auch in den Datenspende-Daten: es gibt einen klaren Ost-West-Verlauf beim Schlafzeitpunkt. Im Osten, wo die Sonne früher auf- und untergeht, schlafen Spender:innen an ihren freien Tagen (Wochenenden + Feiertage) früher als im Westen, wo die Sonne später auf- und untergeht (ca. 4 min pro Längengrad).

Interessant sind die Städte: der Schlafzeitpunkt ist hier wesentlich später als in den umliegenden, weniger dicht besiedelten Gebieten. Aus Studien weist vieles darauf hin, dass dies u.a. auch an der geringeren Tageslichtexposition in den Städten liegt. Denn ein abgeschwächtes Lichtsignal lässt die circadiane Uhr später werden und somit auch die Schlafzeiten. Ob hier auch Freizeitmöglichkeiten am Abend eine Rolle spielen, ist nicht klar - aber unter Pandemiezeiten gibt es die ja leider sowieso deutlich weniger

Den frühesten Schlafzeitpunkt hat übrigens die Stadt Sömmerda in Thüringen mit einem Mittel um 03:12. Fast eine ganze Stunde später schlafen die Menschen in der Stadt Mainz in Rheinland-Pfalz mit dem Mittel 04:11. Bei diesem Vergleich muss natürlich auch noch die unterschiedliche demographische Verteilung in den Regionen berücksichtigt werden.

Leben und Schlafen in 2 Zeitzonen: Jetlag zuhause ganz ohne Reisen

Viel stärker als der Unterschied im Schlafzeitpunkt zwischen Ost und West ist allerdings der Unterschied zwischen Arbeitstagen und Wochenenden. Das zeigt auch der Graph der täglichen Schlafzeitpunkte der Datenspender sehr deutlich: am Wochenende schlafen die meisten nicht nur länger sondern auch wesentlich später als unter der Woche.

Das starke wöchentliche Muster zeigt auch spannende Abweichungen: an den Feiertagen im Mai und Juni und ganz stark über die Weihnachts- und Silvestertage. Wie zu erwarten haben wir den spätesten Schlafmittelpunkt am 01. Januar nach der Silvesterfeier um 05:29. Dagegen haben wir einen Tag nach der Umstellung der Uhr von Sommerzeit auf Normalzeit im Oktober den frühesten Schlafzeitpunkt 02:47. Zwischen der frühesten und spätesten Schlafzeit liegen übers Jahr verteilt also fast drei Stunden! Was hatte die aktuelle Umstellung auf Sommerzeit für Folgen für den Schlaf? Wir sind gespannt und werden die Sommerzeiteffekte noch genauer in einem der nächsten Blogposts unter die Lupe nehmen.

Da die wöchentlichen Unterschiede in den Schlafzeitpunkten zwischen Arbeitstagen und freien Tagen an Reisen zwischen Zeitzonen erinnern, wird das Phänomen auch “social jetlag” genannt. Wir pendeln sozusagen jede Woche zwischen zwei sinnbildlichen Zeitzonen, der Arbeitszeitzone und der Freizeitzeitzone. Die nordwestlichen Gebiete Deutschlands sind hiervon laut unserer ersten Auswertung der Daten etwas stärker betroffen als die südöstlichen Gebiete. In südöstlichen Oberbayern (Bayern) sind es im Mittel 45 min und im nordwestlichen Weser-Ems (Niedersachsen) sind es 56 min. Auch hier müssen natürlich die demographischen Unterschiede mit veranschlagt werden bei der Interpretation.

Was für Auswirkungen haben COVID-19 Erkrankungen und Pandemiemaßnahmen wohl auf den Schlaf und diese Muster? Dies werden wir in einem folgenden Blogpost genauer betrachten.

Eva Winnebeck
Helmholtz Zentrum München
Annika Rose
Annika Rose
PhD Student
Hannes Schenk
Developer Thryve
Paul Burggraf
COO Thryve
Dirk Brockmann
Dirk Brockmann
Professor

Head of Research on Complex Systems Group