Schritt für Schritt
Die Verteilung der täglichen Schrittanzahl
Neben dem täglich gemittelten Ruhepuls liefern die Fitnessarmbänder / Wearables auch Daten zur täglichen Schrittanzahl. Die Schrittanzahl ist neben dem Ruhepuls eine ganz wichtige Größe für die wissenschaftliche Auswertung. Wie im Post Der Puls der Nation genauer erklärt wurde, können Abweichungen vom normalen Ruhepuls ein Indiz für Fieber sein. Allerdings kann es auch sein, dass der tägliche Ruhepuls aus anderen Gründen vom Normalwert abweicht. Wenn aber gleichzeitig die tägliche Schrittanzahl deutlich niedriger ist als die normale tägliche Schrittanzahl, dann ist das in Kombination mit einem erhöhten Ruhepuls ein schärferes Indiz für Fieber. Die Schrittanzahlauswertung kann also die Analyseergebnisse verbessern.
Allerdings ist es auch hier wichtig, die Schrittanzahldaten zunächst einmal isoliert zu betrachten, damit wir besser verstehen, welchen Schwankungen diese Daten typischerweise unterliegen. Es ist ja zu erwarten, dass wir z.B. an Wochenenden oder Feiertagen im Vergleich zu Werktagen, bei gutem oder schlechtem Wetter, andere tägliche Schrittanzahlwerte produzieren. Da sich unsere Analysen auf die Bevölkerung von Stadt- und Landkreisen beziehen, müssen wir messen, ob sich Unterschiede zwischen einzelnen Spender:innen “rausmitteln” und ob die Schwankungen und Einflüsse für die ganze Population gelten. Nur so können wir dann genau die Referenzgrößen für die tägliche Schrittanzahl festlegen.
Schrittanzahlstatistik für Deutschland und die Bundesländer
Was ist die typische tägliche Schrittanzahl, und wie stark ist die Streuung? Die nächste Abbildung zeigt die statistische Verteilung der Schrittanzahl der Spender:innen für Deutschland und alle Bundesländer.
Die Abbildung zeigt, dass der typische Wert für die tägliche Schrittanzahl zwischen 5.000 und 7.000 Schritten pro Tag liegt. Die Verteilung ist allerdings recht breit. Einige Spender:innen legen auch deutlich mehr Schritte am Tag zurück. Die Verteilungen der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich nur wenig und folgen einer universellen Kurve.
Die Schrittanzahlkarte
Ähnlich wie bei der Ruhepulskarte, können wir die mittlere Schrittanzahl für die einzelnen Stadt- und Landkreise berechnen. Das Ergebnis ist in der folgenden Karte zusammengefasst.
Die Karte zeigt die mittlere Schrittanzahl für Spender:innen in den jeweiligen Stadt- und Landkreisen für den Zeitraum vom 12.4.-18.5.2020. Man erkennt, dass diese Mittelwerte im Bereich von 6.500-8.500 Schritten pro Tag variieren. Einige Landkreise zeigen sehr hohe Werte, wie z.B. der Kyffhäuserkreis oder Schmalkalden-Meinigen, beide in Thüringen. In städtischen Kreisen bewegen sich die Menschen weniger zu Fuß.
Sind die Basiswerte zeitlich stabil?
Jetzt kommen wir zur Frage, ob sich die tägliche Schrittanzahl als Funktion der Zeit ändert. Die nächste Abbildung zeigt die mittlere Schrittanzahl für jeden Tag im Zeitraum vom 12.4.-18.5.2020.
Man erkennt, dass die Schrittanzahl grob einen konstanten Verlauf hat, ein Langzeittrend ist nicht sichtbar. Im Mittel liegt das Tagesmittel zwischen 6.000-7.000. Man erkennt auch, dass die Schrittanzahl stärker schwankt als z.B. der tagesgemittelte Ruhepuls (siehe Abbildung 2 im diesem Post). Man kann auch schon erkennen, dass an Wochenenden, besonders samstags, typischerweise höhere Schrittanzahlen zu beobachten sind.
Durchschnittsschrittanzahl in den Bundesländern
Nun stellt sich die Frage, ob sich die Schrittanzahl der Spender:innen regional unterscheiden. Die folgende Abbildung zeigt die mittlere Schrittanzahl der Spenderin:innen in den verschiedenen Bundesländern.
In dieser Abbildung erkennt man, dass in einzelnen Bundesländern die Spender:innen häufiger Gehen oder Laufen, als in anderen. Typischerweise ist die mittlere Schrittanzahl z.B. in Hamburg und Bremen, geringer als in anderen Bundesländern. Die Spender:innen in Thüringen und Sachsen sind im Mittel am meisten “unterwegs”.
Außerdem erkennt man in dieser Abbildung schon deutlich, dass die mittlere Schrittanzahl an Wochenenden höher ist als wochentags. An einigen Samstagen ist das sehr deutlich zu erkennen.
Schrittanzahlvariabilität
Die mittlere Schrittanzahl deutschlandweit, in den Bundesländern oder den Stadt- und Landkreisen gibt ein Maß für den typischen Wert. Für die statistische Auswertung ist aber nicht nur der Mittelwert wichtig, sondern auch die Streuung oder die Variabilität der Schrittanzahlwerte, also wie breit die Werte in der Population verteilt sind. Die Streuung kann durch die Standardabweichung bemessen werden, die bestimmt wie weit einzelne Werte vom Mittelwert entfernt liegen.
Die folgende Abbildung zeigt die Standardabweichung als Funktion der Zeit für alle Bundesländer.
Die Abbildung zeigt, dass besonders an Wochenenden und Feiertagen, verglichen mit Werktagen, die Variabilität der Schrittanzahl stark ansteigt. Diese Effekte sind in allen Bundesländern ähnlich.
Ein weiteres Maß für die Variabilität einer Verteilung ist der Variationskoeffizient, das Verhältnis zwischen Standardabweichung und Mittelwert. Die folgende Abbildung zeigt den Variabilitätskoeffizienten als Funktion der Zeit deutschlandweit.
Was kommt als nächstes?
In der nächsten Analyse werden wir Ruhepuls und Schrittanzahländerungen in Kombination untersuchen. Die statistischen und dynamischen Effekte beider Größen bilden dann die Basis für den Algorithmus, der Spender:innen mit Fieber identifizieren und so auf Stadt- und Landkreisebene plötzliche Anstiege in der Fiebersymptomatik erkennen soll.