Veränderungen der Vitaldaten nach einer COVID-19 Erkrankung

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 11. April 2022 aktualisiert. Änderungshinweise am Ende des Texts.

Die Datenspende 2.0 ist endlich da. Seit Mitte Oktober könnt ihr uns durch die Beantwortung kurzer Fragebögen in der App dabei helfen unser Verständnis der gespendeten Vitaldaten weiter substantiell zu verbessern. Mehr als 12.000 Menschen haben bereits teilgenommen und uns diese Informationen anvertraut. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken.

Im Fragebogen “Tests, Symptome und Lebenssituation” fragen wir die Spender:innen beispielsweise nach dem ungefähren Zeitpunkt und Ergebnis ihres ersten PCR-Tests. Insgesamt 521 Spender gaben an, in der Vergangenheit ein positives Testergebnis erhalten zu haben, 5353 Spender berichteten von einem negativen Ergebnis.

 

Wenn wir uns anschauen wie häufig positive Ergebnisse bei unseren Spender:innen auftreten sehen wir, dass diese Verteilung sehr gut zum Verlauf der Pandemie passt. Wir sehen die erste Welle im März 2020, die zweite und dritte Welle im Winter 2020/2021 und die jetzt beginnende vierte Welle. In den Sommermonaten beobachten wir stattdessen nur wenige positive Testergebnisse.

Langanhaltend veränderte Vitaldaten bei positiv getesteten Spender:innen

Schauen wir uns die Vital- und Aktivitätsdaten vor und nach einem PCR Test an, ergeben sich Einblicke in die möglichen Auswirkungen einer COVID-19 Erkrankung. Wir ermitteln hierzu die mittlere Änderung in Ruhepuls, Schrittzahl und Schlafdauer im Vergleich zum Gesamtzeitraum vor dem Test, jeweils separat für positiv und negativ getestete Spender:innen.

 

Blicken wir zuerst auf den Ruhepuls: Bei Spender:innen mit nachgewiesener COVID-19-Infektion steigt dieser Wert bereits vor dem Test im Mittel auf bis zu 2 Schläge pro Minute über Normalwert an. Danach folgt eine kurze Normalisierung, die auch schon in einer anderen Studie beobachtet wurde, um dann erneut zu steigen und über die Dauer von zwei bis drei Monaten wieder auf das Normalniveau zu fallen – ein bemerkenswert langer Zeitraum. Im Gegensatz dazu zeigen Spender:innen, die negativ getestet wurden, im Laufe der Zeit keine signifikanten Veränderungen. Die Schattierungen zeigen die sogenannten Konfidenzintervalle an, die die Unsicherheit des Mittelwerts angeben.

 

Bei der durchschnittlichen Aktivität (gemessen in Schritten pro Tag) ist der Einfluss einer COVID-19 Erkrankung noch deutlicher zu erkennen. Im Vorfeld eines positiven Tests beginnt diese drastisch zu sinken und reduziert sich um bis zu 3500 Schritte pro Tag – das entspricht einer Reduktion um mehr als 50% der üblichen Aktivität! Diese Veränderung hält bis zu einem Monat lang an.

 

Auch die Schlafdauer wird durch eine COVID-19 Erkrankung beeinflusst. Um den Zeitpunkt der Diagnose herum schlafen unsere Spender:innen im Schnitt um die 40 Minuten. Erst nach etwa drei Wochen normalisiert sich dieser Wert wieder auf die übliche Schlafdauer vor der Erkrankung.

Für alle drei Größen (also Ruhepuls, Aktivität und Schlafdauer) wurden ähnliche Kurven bereits in einer vergleichbaren Studie zu gespendeten Vitaldaten in den USA gefunden. Dies zeigt, dass unsere Ergebnisse also keinesfalls eine Ausnahme darstellen, sondern sich konsistent in den bisherigen Kenntnisstand einordnen.

Verbesserung des Fieberalgorithmus

Zusammenfassend legen die gespendeten Daten also nahe, dass eine COVID-19 Erkrankung langanhaltende Veränderungen im Verhalten und den Vitaldaten hervorrufen kann. Gerade im Fall des Ruhepulses kann diese Veränderung mehrere Monate betragen. Wir werden dieses Phänomen nun weiter eingehend untersuchen und die neuen Erkenntnisse auch in den Algorithmus zur Fieberdetektion einfließen lassen. Dabei werden wir auch weitere Informationen wie das Alter und die Lebensumstände der Spender:innen berücksichtigen.

In einem unserer ersten Blogposts haben wir bereits erläutert, dass die Demographie unserer Spender:innen nicht vollständig repräsentativ ist. Gerade Senior:innen, eine der hauptsächlichen Risikogruppen von COVID-19, sind in der Datenspende möglicherweise unterrepräsentiert. Die beobachteten Effekte könnten also in der Realität noch stärker ausfallen als in den gespendeten Daten abgebildet. Die zusätzlichen demographischen Information, die im Rahmen des zweiten Fragebogens der Studie ‘Tests, Symptome & Lebenssituation’ erhoben werden, sollen uns daher zukünftig dabei helfen die in den Vitaldaten beobachteten Effekte noch genauer auf die Gesamtbevölkerung hochzurechnen.

Wir danken auf diesem Wege allen Spender:innen für Ihre Bereitschaft uns beim Verständnis von COVID-19 weiterhin tatkräftig zu unterstützen, sowie für das uns entgegengebrachte Vertrauen beim Beantworten der Fragebögen. Wir werden euch auch weiterhin über unsere Fortschritte auf dem Laufenden halten und über neue Erkenntnisse berichten, die durch die Umfragedaten ermöglicht werden.

Korrektur

In einer früheren Version des Blogposts wurde eine maximale Änderung des Ruhepuls um bis zu 3 Schläge pro Minute und eine Normalisierungszeit von bis zu drei Monaten angegeben. Ebenso wurde eine verlängerte Schlafdauer von 60 Minuten berichtet. In der Zwischenzeit haben wir unsere Berechung verbessert und ermitteln die jeweiligen Änderungen der Vitaldaten unter Berücksichtigung saisonaler Einflüsse, wie verändertem Ruhepuls im Winter, sowie erhöhter Aktivität und reduziertem Schlaf im Sommer. Um die Ergebnisse mit denen unseres späteren Blogposts zum Thema Impfdurchbrüchen vergleichbar zu machen, haben wir die Abbildungen am 11. April 2022 an die neuen Berechnungen angepasst. Genauere Infos zur Berechnung dieser Einflüsse findet sich auch in einem unserer pre-prints. Weiterhin ist zu beachten, dass in den hier präsentierten Grafiken nur Daten bis Oktober 2021 berücksichtigt werden und sich die gezeigten Kurven durch Daten aus späteren Zeitpunkten erneut leicht ändern können.

Marc Wiedermann
Alumnus

Researcher and Data Scientist with strong interests in time series and network analysis, predictive models and low-dimensional dynamical systems for the spread of human behavior.

Dirk Brockmann
Dirk Brockmann
Professor

Head of Research on Complex Systems Group